Über HPV und von HPV-ausgelöste Erkrankungen
 

  • Die Humanen Papilloma Viren (HPV) werden in mehr als 200 verschiedene Typen unterteilt (WHO 2022), von denen 12 als gesichert (WHO 2022) und 25 als gesichert/wahrscheinlich/möglicherweise krebsauslösend gelten (IARC 2012).

  • Weltweit werden HPV 16/18 für 70%, die sieben häufigsten HPV-Typen für insgesamt 90% der Fälle von Gebärmutterhalskrebs/Zervixkarzinom verantwortlich gemacht. HPV 16/18 alleine zeichnen für fast 90% aller Analkarzinome verantwortlich und etwa 50% der Peniskarzinome verantwortlich.

  • Eine Infektion findet statt durch Kontakt zu infizierter Haut oder Schleimhaut bzw. durch die Übertragung infizierter Körperflüssigkeiten - HPV ist die häufigste sexuell übertragene Erkrankung weltweit. "Die meisten sexuell aktiven Menschen infizieren sich mindestens einmal im Leben, meist bald nach Aufnahme der sexuellen Aktivität." (RKI 2018a)

  • Das Verwenden von Kondomen reduziert das Infektionsrisiko erheblich, ebenso ist das Infektionsrisiko für Partnerinnen beschnittener Männer geringer (Burchell 2006, Dunne 2006, Winer 2006). Eine systematische Übersichtsarbeit von 2014 attestiert dem konsequenten Gebrauch von Kondomen eine "relativ gute Schutzwirkung vor HPV-Infektion und assoziierten Zellveränderungen am Gebärmutterhals" (Lam 2014). Auch das RKI schreibt: "Studien haben gezeigt, dass sich bei ausschließlicher Kondomnutzung HPV-Infektionen zwar teilweise verringern, jedoch nicht verhindern lassen." (RKI FAQ 2022) - genau so würde man den Effekt der Impfung allerdings auch beschreiben... denn: auch der aktuell umfassendste HPV-Impfstoff Gardasil 9® deckt laut RKI nur "etwa 90% aller Hochrisiko-HPV-Infektionen" ab (RKI FAQ 2022).

  • Die weltweite Häufigkeit von HPV-Infektionen bei Frauen (Prävalenz) wird von der WHO mit im Mittel 12% angegeben - mit großen regionalen Unterschieden, deutlichen Unterschieden je nach Lebensalter und einer insgesamt hohen Unsicherheit der Datenlage, da die ganz überwiegende Mehrzahl der Infektion unbemerkt verläuft und ausheilt (WHO 2022).

  • Eine mittelgroße Studie (N= 1226) mit jungen Frauen zwischen 20 und 25 Jahren aus D (Loenenbach 2023) ergab beruhigende und enttäuschende Daten zu Infektionshäufigkeit mit und Impfstoff-Effektivität gegen HPV:

    • Beruhigend, weil die Prävalenz der im HPV-Impfstoff enthaltenen Serotypen bei jungen Frauen in D auch ohne Impfung niedrig ist: selbst bei den Hochrisiko-HPV-Typen 16/18 lag die Prävalenz bei maximal 7% und dies in einem Alter, in dem die Mehrzahl der Studienteilnehmerinnen bereits sexuellen Kontakt gehabt haben dürften.

    • Enttäuschend, weil diese Prävalenz durch die Impfung zwar tendentiell verringert wird, die Vertrauensbereiche der jeweiligen Häufigkeiten sich aber überlappen, was die wissenschaftliche Belastbarkeit dieses Umstandes kompromittiert.

    • Enttäuschend auch, weil die sich hieraus ergebende Impfstoff-Effektivität gegen eine Infektion mit den Hochrisiko-HPV-Typen 16/18 mit 46,4% (und absurd großem Vertrauensbereich von 4,2 - 70,1) spürbar unter 50% liegt - der allgemeinen Marke für eine relevante klinische Wirksamkeit von Impfstoffen.

    • Wie aus diesen Daten eine Bestätigung der STIKO-Impfempfehlung abgeleitet werden kann, die erstens junge Mädchen weit vor Beginn der sexuellen Aktivität erfasst und zweitens unverändert (und wissenschaftlich überholt) an mehreren Impfdosen festhält, bleibt ein Geheimnis der Autoren...

  • Bei Männern wird die HPV-Prävalenz in der gleichen Größenordnung angegeben (10 - 20%) mit deutlich höheren Werten bei Männern, die sexuelle Kontakte zu anderen Männern unterhalten (men who have sex with men/MSM) mit Prävalenzen bis zu 78% in der Analregion (WHO 2022).

    • Speziell die orale Infektion als Risikofaktor für bösartige Erkrankungen im Mund/Rachenbereich ist vor allem bei älteren Männern deutlich häufiger: Risikofaktoren hierfür sind einer Studie aus dem Jahr 2023 zufolge männliches Geschlecht, Alter jenseits von 50 Jahren und viele männliche Sexualpartner bei oralen Sexualpraktiken (Giuliano 2023).

  • Eine HPV-Infektion hinterlässt keine dauerhafte Immunität - Reinfektionen mit dem selben Typ bzw. Infektionen mit anderen HPV-Typen sind möglich. Bei 70 - 80% der infizierten Frauen lassen sich Antikörper gegen HPV nachweisen.

  • "Most HPV infections (70–90%) are asymptomatic and resolve spontaneously within 1–2 years." [70-90% der HPV-Infektionen verlaufen asymptomatisch und heilen spontan innerhalb von 1 - 2 Jahren aus] (WHO 2022).

  • Bei 5 - 10% der infizierten Frauen kommt es zu einer Persistenz der Infektion und zu Zellveränderungen im Bereich dies Gebärmutterhalses ("Dysplasien" bzw. "Cervical intraepithelial neoplasia/CIN" verschiedener Grade), die als Krebsvorstufen betrachtet werden und über mehrere Zwischenstufen in seltenen Fällen (und falls keine Früherkennungsuntersuchung wahrgenommen wird!) im Verlaufe von mindestens 15 bis 20 Jahren zu Gebärmutterhalskrebs führen können. Auch diese Zellveränderungen (CIN 1 und 2) heilen in der Regel spontan aus.

  • Diese Spontanausheilung (auch höhergradiger Dysplasien) ist umso wahrscheinlicher, je jünger die betroffenen Frauen sind (Bekos 2018). Dies ist insofern hochrelevant, da es - bei der unklaren Wirkdauer der HPV-Impfung - verhängnisvoll wäre, wenn es, wie bei anderen Impfprogrammen wie Mumps oder Masern, lediglich zu einem Verschieben der Erkrankung in ein höheres Lebensalter käme: hier wäre die Chance der Spontanrückbildung von Krebsvorstufen nach jetzigem Kenntnisstand wesentlich geringer.

  • Risikofaktoren für das Entwickeln eines Zervixkarzinoms sind "...Rauchen, andere sexuell über­trag­bare Erreger (z. B. Herpes-simplex, Chlamy­dien), früher Beginn der sexuellen Aktivität, viele Geburten und ein stark geschwächtes Immun­system. Auch die lang­fris­tige Ein­nahme oraler Kontra­zeptiva (»Pille«) erhöht das Erkrankungs­risiko leicht. Bestimmte erbliche Faktoren fördern möglicher­weise die Entwicklung von Zervix­karzi­nomen." (RKI 2022a).

  • Gebärmutterhalskrebs ist weltweit eine der häufigsten Krebsarten bei Frauen, allerdings betreffen fast 90% der Fälle Länder mit geringem/mittleren Einkommensniveau (WHO 2022).

  • Die Häufigkeit von  Gebärmutterhalskrebs hat in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen - und dies schon weit vor der Empfehlung der HPV-Impfung. Die Zahl der Frauen, die jedes Jahr an einem Zervixkarzinom in Deutschland versterben, hat sich in den letzten 30 Jahren um mehr als die Hälfte verringert (RKI 2022a).

(AWMF 2020)

bzw mit aktuelleren Daten:

(RKI 2022)

  • Das Erkrankungsrisiko hängt wesentlich vom Lebensalter ab, das mittlere Erkrankungsalter beträgt in D derzeit etwa 55 Jahre:

(Quelle RKI 2022a)

  • Das hier vom RKI angegebene absolute Erkrankungsrisiko an Zervixkarzinom nach Lebensalter ist für die Beurteilung der Impf-Effektivität von großer Bedeutung - vor allem das ARR in den nächsten 10 Jahren zu erkranken, da die Aussagen zu einer Schutzwirkung sich in genau diesem zeitlichen Bereich bewegen (12 Jahre für den bi- und quadrivalenten, 6 Jahre für den nonavalenten Impfstoff lt WHO 2022).

  • Verantwortlich ist hierfür im Wesentlichen das Krebsfrüherkennungs-Programm, das in Deutschland seit 1971 zu einer deutlichen und anhaltenden Verringerung von Erkrankungs- und Todesfällen geführt hat:

    "Im inter­natio­nalen Vergleich liegen Neu­erkran­kungs- und Sterbe­raten in Ländern mit lange bestehenden, gut orga­ni­sier­ten Früh­erken­nungs­pro­grammen deutlich niedriger als in Ländern ohne solche Angebote." (RKI 2022a).

  • Keine andere Krebsart ist durch ein so einfaches und sicheres Vorsorgeuntersuchungsverfahren so sicher schon im Vorstadium erkennbar und damit heilbar. Die regelmäßige Teilnahme an einem qualitativ hochwertigen Früherkennungsprogramm senkt das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken um über 90% (Rosenbrock 2007). Dies bestätigt auch die WHO noch einmal 2022: "Although there is no virus-specific treatment for HPV infection, screening and treatment of cervical precancerous lesions is highly successful in preventing cervical cancer." Und die WHO geht hier von screening-Programmen mit einem Untersuchungsintervall von 5 bis 10 Jahren aus...

  • Das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG - ein Hort evidenzbasierter Medizin - bringt den Wert dieser Früherkennungsuntersuchung inklusive der Einordnung der HPV-Impfung prägnant auf den Punkt (IQWiG 2021 - ein insgesamt lesenswerter Artikel zur Krebsfrüherkennung bei Gebärmutterhalskrebs):

  • Diese Graphik zeigt sehr deutlich, dass das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken und zu sterben, das primär zwischen HPV-geimpften und -ungeimpften Frauen deutlich unterschiedlich ist, durch die regelmäßige Früherkennung für beide Gruppen (!) auf ein sehr, sehr niedriges Niveau reduziert wird.

  • Jenseits des Zervixkarzinoms spielen HPV eine ursächliche Rolle bei gutartigen Genitalwarzen (Kondylomen), bei fast allen Fällen von Analkarzinomen, etwa der Hälfte aller Peniskarzinomen, 3/4 aller Vaginal- und bis zu der Hälfte alle Fälle von Vulva-Karzinomen. Auch bei Tumoren des Mund/Rachenbereiches könnten HPV eine ursächliche Rolle spielen. (WHO 2022).

  • Das RKI geht davon aus, dass in D etwa 2% aller Krebserkrankungen ursächlich mit HPV-Infektionen assoziiert sind (RKI 2018b; Graphik RKI 2021, entsprechende Krebsarten von mir hervorgehoben).

Analkarzinome
  • Das Analkarzinom ist mit einer Häufigkeit von etwa 1/100.000/Jahr eine seltene Krebsart, die häufiger Frauen als Männer betrifft (Bruni 2023). Eine Risikogruppe sind Männer, die sexuellen Kontakt zu anderen Männern haben (MSM) und/oder immunsupprimierte und/oder HIV-infizierte Menschen. Anders als bei anderen Krebsarten steigen beim Analkarzinom die Neuerkrankungs- und Sterblichkeitsraten in den letzten Jahren in vielen "Industrienationen" an (RKI 2022b).

  • "Das höchste Risiko für ein Analkarzinom haben HIV-positive Männer mit gleichgeschlechtlichen Kontakten." (RKI 2022b)

Peniskarzinom
  • Das Peniskarzinom ist selten (≤ 1/100.000/Jahr) und betrifft vor allem Männer zwischen 50 und 70 Jahren (Bruni 2023). Etwa die Hälfte aller Peniskarzinome sind HPV-assoziiert.
Tumore des Mund/Rachen-Raumes
  • Die orale Infektion als Risikofaktor für bösartige Erkrankungen im Mund/Rachenbereich ist vor allem bei älteren Männern deutlich häufiger: Risikofaktoren hierfür sind einer Studie aus dem Jahr 2023 zufolge männliches Geschlecht, Alter jenseits von 50 Jahren und viele männliche Sexualpartner bei oralen Sexualpraktiken (Giuliano 2023).
Vulvakarzinom
  • Das Vulvakarzinom ist selten (weltweit Inzidenz < 1/100.000/Jahr), es tritt häufiger in "Industrienationen" auf (in D geschätzte Inzidenz für 2020 3,6/100.000/Jahr) (Bruni 2023).

  • Das mittlere Erkrankungsalter in D liegt bei 73 Jahren (RKI 2022c)

  • 15 - 48% aller Vulvakarzinome sind HPV assoziiert.

 

AWMF (Hg.). 2020. S3-Leitlinie Prävention des Zervixkarzinoms. Abruf 24.03.2023

Bekos C. 2018. https://www.nature.com/articles/s41598-018-24882-2. Abruf 24.03.2023

Bosch FX. J Natl Cancer Inst Monogr. 2003;(31):3-13.

Bruni L. 2023. Human Papillomavirus and Related Diseases in Germany. Summary Report 10 March 2023. https://hpvcentre.net/datastatistics.php. Abruf 29.03.2023

Burchell AN. Vaccine. 2006;24 Suppl 3:S3–, 52–61.

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Rosenbrock, R.: HPV-Impfung – Durchbruch der Krebsprävention? Dossier Forum Gesundheitspolitik März 2007.

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Winer R. N Engl J Med 2006, 354(25): 2645–2654